20 Jahre K.I.Z.

Man muss es in den Mund nehmen

von Mia Evers (Q1)

Urlaub, Urlaub fürs Gehirn – das ist das Motto von K.I.Z seit ihrem ersten Album. Am 28. Mai 2021 kam ihre neue Veröffentlichung heraus – Rap über Hass –, welche am folgenden Wochenende das meistgestreamte Album Deutschlands war. Eine Freundschaft und Zusammenarbeit, die seit 20 Jahren besteht und anhält.

Zeitstrahl

Ihr erstes Studio-Album „Das RapDeutschlandKettensägenMassaker“ kam 2005 heraus, darauf folgte ein Mixtape namens „Böhse Enkelz“. Diese Veröffentlichungen sind nicht auf Streamingportalen vorhanden. Erst ihr erstes Studioalbum „Hahnenkampf“ findet sich dort. 2009 folgten „Sexismus gegen Rechts“ und 2011 „Urlaub fürs Gehirn“ sowie 2013 das Mixtape „Ganz Oben“. „Hurra die Welt geht unter“ erschien 2015 mit der gleichnamigen Single, die die Charts eroberte. 2020 wurde dann nach einer längeren Pause das Mixtape „Und das Geheimnis der unbeglichenen Bordellrechnung“ released, 2021 das bisher letzte Album „Rap über Hass“. 

Die drei Grundmitglieder sind seit jeher dieselben geblieben: Tarek, Nico und Maxim. Sie arbeiteten über die Jahre mit verschiedenen Produzenten, bis 2018 mit „DJ Craft“, mittlerweile mit den „Drunken Masters“. 

K.I.Z sind höchst politisch – und zwar schon seit langem, das zeigen sie in ihren Texten. Zudem wurden sie immer wieder politisch aktiv, traten auf Demonstrationen auf oder spielten Konzerte nur für Frauen am Weltfrauentag. Des Weiteren kandidierten Maxim und Nico als Vertreter der PARTEI für das Berliner Abgeordnetenhaus 2011. 

Themen

Hört man die Musik von K.I.Z, denkt man unweigerlich manchmal: „Au weia! Das hat wehgetan.“ Sie nehmen kein Blatt vor den Mund, in ihren Texten beschimpfen sie schamlos alles und jeden. „Ich finde selber grauenhaft, was wir rappen“, sagte Nico im Interview mit der Zeit (vgl. https://www.zeit.de/2021/21/kiz-rap-album-hass-hatespeech-rassismus-provokation). 

Obwohl sich die Band musikalisch stark entwickelt hat, sind ihre Themen überraschend gleich geblieben. In ihren Texten verarbeiten sie Probleme, die sie aufregen und aufregten. Das sind einmal gesellschaftliche Probleme, mit denen sie selbst zu kämpfen hatten, zum Beispiel Armut. Ebenso sind Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus wiederkehrende Themen, sowie Tier- und Menschenrechte. Anstatt jedoch belehrende Vorträge zu halten, karikieren sie mit teilweise abstoßenden Texten und Wortbildern ihre Kritik an Politik, Leitbildern und konservativen Wertvorstellungen und Rollenbildern in unserer Gesellschaft.

Musikalische Entwicklung von 2007 bis 2021

„Hahnenkampf“ wirkt sehr ursprünglich, Hip Hop-beats und prolliger Rap, der an Finch Asozial heute erinnert. Elemente des amerikanischen Raps der 90er dominieren das Album, der Rap hört sich weniger durchproduziert an. Die Texte sind noch seltener explizit politisch, jedoch merkt man schon hier die Absichten, die sich in den folgenden Alben stärker zeigen. 

Von Album zu Album wurden K.I.Z politischer, expliziter, qualitativ hochwertiger. Man merkt zusehends, dass die Alben kein Zufall sind, dass sie aus bestimmten Gründen aufgebaut wurden und nicht nur Songsammlungen darstellen. Ab „Sexismus gegen Rechts“ etwa hat jedes Album einen ruhigen Song, der oft von ihrem eigenen Werdegang oder eigenen Problemen handelt. Ab „Urlaub fürs Gehirn“ heißt das Album in mehreren Fällen so, wie der Song, der die Charts erobert – der massentaugliche Song.

Das zuletzt erschienene Album „Rap über Hass“ nun ist ein Reich voller Zitate, angefangen natürlich mit der Rede Bernd Baumanns (AfD), der ihre Texte im Bundestag zitierte, um den Bundespräsidenten schlecht zu machen, woraufhin KIZ ebendiese Rede als ihr Albumintro nutzten. 

„Das [K.I.Z.] ist so gewaltverherrlichend, das ist so deutschfeindlich, das ist so christenfeindlich !“

– Bernd Baumann (AfD)

K.I.Z besteht schon so lange quasi unverändert, da es eine Intention gab und gibt – die Demonstration.

Exkurs – Golem

Am 31. Januar 2020 veröffentlichte Tarek K.I.Z sein erstes Soloalbum – als erster und bisher einziger der dreien. Tarek bezeichnete das Jahr 2020 unter einem Bild, welches er auf Instagram postete, als das produktivste Jahr seiner Karriere als Rapper, in welches neben seinem Album „Golem“ unter Anderem auch das Mixtape, das „Album zu Album“, „K.I.Z und das Geheimnis der unbeglichenen Bordellrechnung“ zählt. 

In Golem zeigt sich Tarek sehr persönlich – lyrisch, wie musikalisch. Trapbeats und Hip Hop welchseln zu Funk und Orgelklängen, ebenso abwechslungsreich sind die Texte. Tarek erzählt auf persönlicher Ebene von seiner Kindheit, seiner alleinerziehenden Mutter, von seinem brutalen Stiefvater, von einem gestörten Verhältnis zu Liebe, von der kaputten Welt um ihn herum, von Drogenmissbrauch, von Rassismus und Rache. Das Album zeugt von Schmerz, der sich durch sein ganzes Leben zieht und ihn von seiner Kindheit an geprägt hat. 

Jedoch widmet er einen Song, eine Hymne, an seine Freunde, seine Band. „K.I.Z für immer“ mit Nico und Maxim. Der folgende Track, „Nubischer Prinz“ bezieht sich auf seine Herkunft aus Ägypten, dem früheren Nubien. Tarek bezeichnete sich schon früher als „der nubische Prinz“ als Synonym. Im vorletzten Song „Freak“ erzählt Tarek von einer anbetungswürdigen Frau, untermalt von Orgelmusik wirkt er geradezu religiös. Gespielt von Akustikgitarre wirkt er echt und ehrlich, erzählt von göttlicher Weiblichkeit. 

Der letzte Song des Albums ist ein Hip Hop-Song, oldschool-Hauch mit Glockenspiel, melancholisch schön. „Frühlingstag“ handelt von Tareks an Krebs verstorbenem Vater. Dieser Song bildet den emotionalen Höhepunkt des Albums und ist der ehrlichste und persönlichste Song. 

„Ich weiß noch wie du zu mir meintest im Hospiz: ‚Tarek, ich freu mich auf dein Lied für mich.‘“ ist eine Zeile, in der Tarek seinen Vater zitiert und ihm mit dem Release des Albums seinen letzten Wunsch erfüllt. 

Was Golem signifikant von den K.I.Z-Alben unterscheidet, ist dessen Eindeutigkeit und Ehrlichkeit. Im Gegensatz zu K.I.Z bedient sich Tarek in keiner Weise an den für K.I.Z so typischen Ausdrucksweisen zur Verschleierung der Wahrheit oder der vulgären Art, sondern erzählt – auf keinen Fall im Versuch, Mitleid zu erregen – von seinem Leben und den Leuten, die ihn geprägt haben, auf gute oder schlechte Weise. 


K.I.Z sind hochpolitisch, und zwar radikal. Sie nehmen die Essenz dessen, was sie stört und stellen den Sachverhalt auf brutale Weise dar. Sie wollen schocken, abstoßen. Man muss die Brutalität annehmen, um den wichtigen Inhalt zu verstehen. Man muss in die Scheiße eintauchen, um Gold zu finden. 

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