Geschichte und Zukunft der Korallen

Ein Gespräch mit dem Korallenforscher Christian Wild

von Xenia Merjasov (Kl. 5) und Sweja Boekhoff (EPh)

An der Universität Bremen forscht Prof. Dr. Christian Wild. Er vertritt das Fachgebiet Marine Ökologie, welches sich in der Lehre im Bachelorstudiengang Biologie und in den Masterstudiengängen Ökologie und Marine Biologie engagiert. Im Moment kann Herr Wild nicht gerade über zu viel Freizeit klagen: Er steckt mitten in den Vorbereitungen zu einer internationalen Konferenz, die er in Bremen mit den besten Korallenforscher*innen aus aller Welt ausrichten wird. Dennoch fand Herr Wild Zeit, unseren Artikel mit einigen wichtigen Informationen direkt aus der Wissenschaft zu untermauern.

Prof. Dr. Christian Wild, Universität Bremen; Foto: privat

„Neben meinem Fach, der Marinen Ökologie, gibt es auch die Marine Biologie, Marine Chemie, Marine Zoologie, Marine Botanik und vieles mehr“, erklärt Herr Wild. Alle diese Untergebiete befassen sich mit dem Themengebiet Meer, unter anderem mit Korallenriffen und Korallen. Die Marine Zoologie beschäftigt sich mit der Entstehung und der Geschichte der Korallen, während sich z.B. die Marine Chemie mit den chemischen Prozessen im Meer und deren Auswirkungen auf, unter anderem, Korallen beschäftigt.

Korallen gibt es bereits sehr lange. „Die ersten Vorläufer der heutigen Korallen entstanden vor über 400 Millionen Jahren, und seit circa 200 Millionen Jahren gibt es die Version der Korallen, die wir auch heute noch als Steinkorallen kennen. Zurzeit sind zwischen 800 und 1100 Korallenarten in den Weltmeeren verteilt“, erklärt Herr Wild. „Zu finden sind diese besonders in den Tropen und Subtropen.“

Intakte Korallen, Foto: Thomas Koppers

Korallen mit den von ihnen gebildeten Riffen sorgen für eine hohe Biodiversität und gleichzeitig für eine hohe Produktivität im Meer. „Hiervon profitieren wir Menschen besonders im Bereich des Tourismus und der Nahrungsmittelversorgung. Auch kommen viele Medikamentenideen aus den Riffen. Forscher blicken auf der Suche nach neuen Wirkstoffen gerne in Richtung florierender Ökosysteme wie den Korallenriffen. Wir verdanken ihnen z.B. einige der neu entwickelten Krebsmedikamente.“

Doch der Bestand der Korallen geht immer drastischer zurück. Und Schuld daran sind wir Menschen. Natürlich haben Korallen schon immer Feinde gehabt. „Wirbelstürme zerlegen ihre Kalkskelette zu Geröll und Papageienfische sowie Dornenkrone-Seesterne können ganze Riffe kahl fressen.“ Und Bohrschwämme nisten sich zu ihrem eigenen Schutz in die Skelette der Korallen ein.

Intakte Korallen, Foto: Thomas Koppers

Das seit der Industrialisierung wärmer werdende Klima ist der Hauptgrund des Korallensterbens. Denn Korallen sind sehr empfindlich gegenüber Temperaturschwankungen. „Warmwasserkorallen, welche Riffe bilden, haben einen Temperaturwohlfühlbereich zwischen ungefähr 21°C und 29°C. Alles was wärmer oder kälter ist, führt zu Korallenbleiche und/oder dem Absterben der Korallen. Als Korallenbleiche bezeichnet man den Farbverlust durch Umwelteinflüsse“, berichtet Herr Wild.

Korallenbleiche schwächt die Korallen immens und sorgt für weniger Abwehrkraft gegenüber Fressfeinden oder anderen Konkurrenten wie Algen, was wiederum zum Absterben der Korallen führen kann. Überraschend merkt Herr Wild dazu an: „Dieser Vorgang kann jedoch durch die Rückkehr des Wassers auf die Ursprungstemperatur rückgängig gemacht werden.“

Auch das größte Korallenriff der Welt, das Great Barrier Reef vor Australien, ist hiervon nicht unberührt. Während Teile des Riffs noch relativ intakt aussehen, sind andere Teile beinahe vollkommen abgestorben. „Dies liegt unter anderem an den nahe des Riffs angebauten Monokulturen von Zuckerrohr sowie den dort verwendeten Düngemittel und den Pestiziden, welche durch das Abwasser in das Riff gelangen.“ Herr Wild hat diesen Küstenabschnitt vor Jahren bereist. „Danach kann man für einige Zeit kein Zuckerrohr mehr sehen, denn man fährt stundenlang durch solche eintönigen Monokulturen!“

Durch Korallenbleiche zerstörtes Riff; Foto: Thomas Koppers

Hier in Norddeutschland kommen einem solche Vorgänge natürlich nicht allzu relevant für uns selbst vor. Was kümmert uns schon das Absterben von Korallen am anderen Ende der Welt, könnte man provokant fragen. Aber: „Korallen sind auch Frühwarnsysteme für den Klimawandel. Umso mehr Korallen sterben, umso schlechter steht es um unser aller Klima. Wir profitieren dazu alle von dem was Korallenriffe uns bieten, tragen aber auch alle zum Niedergang der Riffe bei.“

Die Wissenschaft schätzt, dass, wenn der Mensch so weiter macht wie bisher, die Korallenriffe in zwei bis drei Jahrzehnten komplett verschwunden sein werden. Doch sie hat auch die Hoffnung, dass selbst dann nicht alle Korallen, wohl aber die Riffe, verloren sein würden.

Man hat in einem Versuch ein Aquarium mit der geschätzten Menge CO2 versetzt, welche in ca. 100 Jahren in unseren Meeren gelöst wäre. Nach dem Einsetzen von Steinkorallen in dieses Becken, konnten die Wissenschaftler innerhalb weniger Wochen etwas Erstaunliches beobachten: „Die Steinkorallen wandelten sich Stück für Stück in Korallen ohne Skelett um“, so Herr Wild, das Ergebnis des Experiments zusammenfassend. Als die Umwelbedingungen wieder auf den Normalzustand gestellt wurden, haben die Korallen auch wieder Skelette gebildet. Von der deutlich wärmeren Zeit der Dinosaurier bis hin zu Eiszeiten, haben Korallen alles überstanden.  Sie sind also ein Erfolgsmodell in der Erdgeschichte und können sich im Prinzip gut anpassen an Umweltveränderungen. Deshalb macht auch ein Überleben des menschengemachten Klimawandels Sinn, aber die Geschwindigkeit der Umweltveränderung ist eben das grosse Problem. Die Ozeane erwärmen sich so schnell und werden so schnell sauer, dass die Korallen sich nicht rechtzeitig genug anpassen können.  

Was man aber dagegen tun kann, ist so einfach wie bekannt: „Verminderung des CO2-Ausstoßes und eine drastische Senkung von Überfischung und Düngung.“ Das müsste nur weltweit umgesetzt werden. Eine echte Zukunftsaufgabe – nicht nur zum  Schutz der Korallen.

Wir bedanken uns bei Herrn Professor Wild für seine Zeit, das freundliche Gespräch und seine motivierenden Ausführungen!

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