von Luisa M. Zimmermann (Kl. 9)
Wir erfahren meistens nur das über unser Gegenüber, was wir von ihr oder ihm erfahren sollen. Wenn wir seine Gedanken lesen und seinen Lebenslauf kennen würden, so könnte uns diese Fähigkeit zwar in bestimmten Situationen beschützen, doch es würden gleichzeitig Unmengen an Vorbehalten im Raum stehen.
Was würden wir tun, wenn wir wüssten, dass einer unser Mitschüler oder unserer gleichaltrigen Bekannten ein Mörder wäre? Es wäre wahrscheinlich so unvorstellbar, dass wir nicht wüssten, was wir tun sollen. „Ein Verbrecher ist und bleibt immer ein Verbrecher“ – unsere Gesellschaft steckt sie meistens einfach alle in die gleiche Schublade. Da es aber die unterschiedlichsten Gründe für ein Gewaltverbrechen gibt, versuche ich diese an Hand eines Interviews des Deutschlandfunks mit Helmut Remschmidt, einem Jugendpsychiater und Autor, genauer zu beleuchten (https://www.deutschlandfunkkultur.de/gespraech-mit-einem-jugendpsychiater-warum-junge-menschen.1008.de.html?dram:article_id=459201). Ich beziehe mich dabei auf Jugendliche, 14-18 Jahre, und junge Heranwachsende, 18-21 Jahre.
Es gibt vor allem drei Hauptmotive, die zum Mord und verwandten Gewaltverbrechen führen können:
1. Vernachlässigung
2. Gewalterfahrungen in der Kindheit
3. Langeweile
Vernachlässigung durch die Eltern, real oder auch nur eingebildet, kann zu schweren Straftaten der Kinder führen. An dieser Stelle sollte sich jeder einmal vorstellen, der Hund seiner Mutter scheint wichtiger als man selbst zu sein. Das hat zwar einen faden, ja wahnhaften Beigeschmack, hilft aber die folgende Geschichte vielleicht etwas besser zu verstehen, die Remschmidt dem Deutschlandfunk erzählt. Der Fall verlief so: Aus Neid, der sich auf den Hund seiner Mutter richtete, ließ ein junger Mann seine Eltern durch einen Auftragskiller umbringen. Dieser Neid auf das Haustier muss für den Sohn zwar erdrückend gewesen sein, gleichzeitig sah er aber auch eine gute Möglichkeit, die Firma seiner Eltern zu übernehmen. Hier vermischen sich also Habgier und womöglich eingebildete Vernachlässigung.
„Schule schwänzen, Straftaten bereits vor dem zehnten Lebensjahr, Tiere quälen, Neigung zu körperlichen Auseinandersetzungen – die frühzeitig auftreten – dann auch ein Milieu, das gewaltbereit ist, das Erlebnis der Gewalt, Drogen- und Alkoholkonsum“ – laut Helmut Remschmidt sind das alles Faktoren für eine Kariere als Straftäter. Hier sind wir dann bei dem Aspekt, eine bereits gewaltvolle Kindheit erlebt zu haben, angekommen. Die gerade genannte Beispiele führen zwar nicht zwangsläufig zu eigener Kriminalität im Laufe des Lebens, beeinflussen die Chance aber deutlich. Die Menge der einzelnen Strafdelikte gibt dabei den Ausschlag, nicht das eine Mal Schulschwänzen.
Langeweile? Diesen Punkt dürften die meisten nicht auf dieser Liste erwartet haben. Wenn man aus Langeweile tötet, liegt die Gewalttat meistens gar nicht im Blickwinkel der Jugendlichen. Vielmehr steht zum Beispiel der Reiz, etwas Verbotenes zu tun, dahinter. Totschlag tritt dann vielmehr als Begleiterscheinung auf. Helmut Remschmidt berichtet von Jugendlichen, die zunächst nur kleine Steine auf Autos in der Waschanlage geschmissen hatten, letztendlich war die Sensationsgier aber so groß, dass sie immer größere Steine, dann von einer Autobahnbrücke, warfen. Dieser Adrenalinkick endete für einen Autofahrer tödlich.
Klar ist, dass nicht jeder immer das Leben führt, das man sich wünscht. Man wird zum Beispiel in ein Milieu geboren, das in der Umgebungsgesellschaft verpönt ist. Mord und Totschlag sind zweifellos Kapitalverbrechen. Doch man muss sich auch Mühe geben, die Situation der Täter korrekt zu erfassen. Dazu sind unsere Gerichte verpflichtet. Besonders bei Jugendlichen.